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Karl-Heinz Ströhle - Konstanzer Kunstpreis 2016

Ort: Kulturzentrum am Münster, Wolkensteinsaal

Festakt zur Verleihung

So, 02. Oktober 2016, 11 Uhr
Kulturzentrum am Münster, Wolkensteinsaal

Begrüßung und Preisverleihung
Dr. Andreas Osner, Kulturdezernent
Michael Günther, 1. Vorsitzender

Laudatio
Kirsten Helfrich, M.A., Kunsthaus Bregenz

Text der Laudatio

Kirsten Helfrich, M.A., Kunsthaus Bregenz

Echolot – Zur Kunst von Karl-Heinz Stöhle

Die Entscheidung, dem 1957 in Bregenz geborenen Zeichner, Maler, Performance-, Objekt- und Medienkünstler Karl-Heinz Ströhle den diesjährigen Konstanzer Kunstpreis zuzusprechen, wurde fast einstimmig getroffen. Sein Werk überzeugte die Jury durch eine kontinuierliche Entwicklung, die sich jedoch niemals wiederholte, sondern sich im Gegenteil eine großzügige und spielerische Offenheit bewahrte.

Karl-Heinz Ströhle, der in den letzten 30 Jahren in Wien lebte und dort seit 2005 die Klasse ‚Kunst und kommunikative Praxis‘ an der Universität für angewandte Kunst unterrichtete, verwendete für seine Skulpturen und Malereien hauptsächlich flache Federstahlbänder. Diese biegsamen Bänder wurden zu freistehenden Skulpturen oder zu dynamischen Wandobjekten geformt, als Installationen im Raum ausgebreitet oder als Druckstöcke für seine Ölgemälde eingesetzt.

Die besonderen Merkmale dieses Materials – seine minimalistische Strenge gepaart mit einer widerspenstigen Biegsamkeit und Formbarkeit – faszinierten den Künstler sein gesamtes Schaffen hindurch. Inhaltlich ging es ihm dabei um die Entwicklung von organischen Formen in Zeit und Raum.

Die von Ströhle geschaffenen Objekte, die an durchlässige Behausungen oder auch Käfige erinnern, werden durch Berührungen oder Luftstöße in eine tänzelnde Schwingung versetzt.

Der Ästhetik-Philosoph Bazon Brock hat diesen Prozess, in dem ein bestehender Zustand temporär aus der Form gerät und dann wieder zurück in die Ursprungsform tendiert, als „Aformation“ bezeichnet. Je nach der Stärke des Impulses erzeugt das vibrierende Objekt unterschiedliche Raumeindrücke, die zwischen Stabilität und Instabilität changieren.

Diesem Prinzip der „Aformation“, der Deformation und seiner Rückbildung, folgen auch die Leinwandarbeiten Ströhles. Federstahlkreise werden verformt und die Linien der solcherart entstehenden „gestauchten Kreise“ mit Hilfe eines speziellen Druckverfahrens auf die Bildträger aus Baumwolle oder Leinen übertragen.

Die aus der Kreisform abgeleiteten Geometrien und Liniensysteme erinnern teils an große Blasen, die sich durch Abstoßung verformen und wieder in die Ursprungszustände zurückdrängen, oder, so es sich um auf reine Linienstrukturen reduzierte „Stauchungen“ handelt, an vielfach übereinandergelegte Achterbahnen.

Die neueren Öl-Bilder auf Baumwolle werden durch zusätzliche formale Elemente wie Abdrücke von Staubsaugerschläuchen oder Gummireifen angereichert, die der Künstler dem Bildträger ebenfalls durch Abklatschtechniken einschreibt.

Diese, aus dem Gleichgewicht geratenen, scheinbar zuckenden Linien stehen in engem Dialog mit den wippenden Federstahlskulpturen. Während eines längeren Arbeitsaufenthalts in Tokio hat Ströhle die Bewegungen der Skulpturen auf die Leinwand übertragen und in Videoarbeiten seine schwingenden Objekte vor die statischen, monolithischen Hochhäuser der Millionenmetropole gesetzt. In einer Stadt, die täglich von Erdbeben bedroht ist, erscheinen die Kunstwerke von Ströhle wie ein Seismograph dieses Zustandes.

In den letzten Jahrzehnten hat Karl-Heinz Ströhle zahlreiche Kunstprojekte im öffentlichen Raum realisiert, unter anderem für die Swisslife-Rentenanstalt in München, für Krankenhäuser in Salzburg und Vorarlberg sowie für die Passage zwischen Kunsthaus Bregenz und dem Vorarlberger Landestheater. Dort realisierte er bereits 1997 im Rahmen von „Kunst in der Stadt“ eine Bodenarbeit aus einer sich zwischen den Gebäuden schlängelnden Linie, definiert durch die vorherige Legung eines Stahlbandes.

Beim Neubau des vorarlberg museum in Bregenz von 2011bis 2012 verwandelte Ströhle den Baukörper durch ein bedrucktes Netz in einen riesigen, unregelmäßig schwarz-weiß gestreiften Kubus. Ein spannender, temporärer Dialog mit der transparenten Hülle des Kunsthaus Bregenz entstand. Auch bei den Werken im öffentlichen Raum war ihm die Auseinandersetzung mit der Linie und dem konkreten, vorgegebenen Ort wichtig.

In Karl-Heinz Ströhles Arbeiten traf Emotion auf Minimalismus, Konzept auf spielerische Spontanität und konkrete Ansätze auf abstrakte Formulierungen.

Eine seiner letzten Aktionen im Rahmen des diesjährigen Silvretta Atelier im Montafon zeigt dies exemplarisch – aus Markierungsstangen, die im Winter den Weg durch den Schnee weisen, wurde spontan ein riesiges Mikado-Spiel initiiert. Ein Spiel, das zwischen Zufall und Präzision changiert.

Die Skulpturen Karl-Heinz Ströhles aus Federstahl werden durch Berührung in Bewegung gebracht, zum Leben erweckt. Sie schwingen, wiegen und wippen in einem eignen Rhythmus. Teilweise ruckartig und holprig, dann wieder in harmonischem Einklang. Ihre Bewegungen übertragen sich auf die Wahrnehmung ihrer unmittelbaren Umgebung, sie treten in einen Dialog mit den Bewegungen der Äste eines Baumes, korrespondieren mit den Wellen auf der Wasseroberfläche oder den linienhaften Kreisbewegungen eines Vogels.

Die Federstahlskulpturen schwingen nach – gleich einem Echolot. Auch wenn ihre aktive Bewegung schon beendet ist, tragen sie diese dennoch in sich. Und sie haben sich auf ihr Umfeld übertragen und eingewirkt und dieses unwiederbringlich verändert.

Das gilt auch für Karl-Heinz Ströhle selbst – auch wenn er heute nicht mehr hier sein kann. Seine herzliche Persönlichkeit, seine klare und reflektierte Meinung, seine unendliche Kreativität und Lebensfreude wird nachschwingen und nachklingen. Durch seine Werke und in allen Menschen, die ihn geliebt und geschätzt haben.

Bei unserem letzten Gespräch hat Karl-Heinz zu mir gesagt: Rede nicht so viel, lass die Besucher lieber die Werke erfahren und erleben. Und in diesem -  seinem Sinne - schließe ich meine Laudation.

Kirsten Helfrich

Performance
Kirsten Helfrich

Am 2. Oktober 2016 sollte der Konstanzer Kunstpreis an den Vorarlberger Künstler Karl-Heinz Ströhle vergeben werden. Nun ist er völlig überraschend am 24. August während einer Wanderung im Silvretta-Gebiet verstorben.

Die Stadt und der Kunstverein Konstanz haben beschlossen, die geplante Preisverleihung an Karl-Heinz Ströhle und die Ausstellung posthum stattfinden zu lassen. Auch seiner Familie und seiner Lebensgefährtin Sabine Gruber war es ein großes Anliegen, dass die Ausstellung, die ihm sehr am Herzen lag und an der er in den letzten Wochen intensiv gearbeitet hat, stattfindet.

Gemeinsam mit Kirsten Helfrich vom Kunsthaus Bregenz und Mitglied der Jury des Konstanzer Kunstpreises und dem Architekten Christian Lenz – beide kennen Karl-Heinz Ströhle und sein Werk seit vielen Jahren – haben wir versucht, die Ausstellung in seinem Sinne zu gestalten.

Den Preis hat seine langjährige Lebensgefährtin Sabine Gruber entgegen genommen.

Fotos Stefan Postius

Zum Künstler

Karl-Heinz Ströhle, geboren 1957 in Bregenz, hat einen Lehrauftrag an der Universität für angewandte Kunst in Wien. 2014 habilitierte er dort im Fach Bildhauerei.

Als Zeichner, Maler, Performance-, Objekt- und Medienkünstler gehört er zu den interessantesten und wichtigsten künstlerischen Positionen Österreichs. Stark ausgeprägt in seinem Werk sind auch seine Auseinandersetzung mit dem öffentlichen Raum und seine Beschäftigung mit Kunst-am-Bau-Projekten. So umgibt er z.B. in einem seiner Videos Hochhäuser mit punktgeschweißten Stahlbändern, die durch einen Impuls in Schwingung versetzt werden – das Hochhaus wird personifiziert, wird zum Tänzer. Karl-Heinz Ströhle bewegt sich hier im Grenzbereich zwischen Skulptur, Architektur und Performance.

Die Jury würdigt mit der Verleihung des Preises Ströhles vielseitiges und konsequentes Oeuvre und die Ökonomie beim Einsatz seiner künstlerischen Mittel, die mit einer reduzierten Formensprache verbunden wird.

 

Zum Konstanzer Kunstpreis

Der Preis, der alle zwei Jahre vom Kunstverein Konstanz e.V. und der Stadt Konstanz vergeben wird, ist mit 8.000 Euro dotiert und geht mit einer Ausstellung im Kunstverein Konstanz einher. Seit 1979 wird er an Künstler und Künstlerinnen verliehen, die im deutsch-sprachigen Bodenseeraum geboren oder beheimatet sind, hier längere Zeit künstlerisch tätig waren oder der Bodenseelandschaft in ihrem Werk eine bevorzugte Stellung einräumen.

Die Jury setzt sich zusammen aus Vertretern diverser Kulturinstitutionen aus Deutschland, Österreich, Liechtenstein und der Schweiz. Die stimmberechtigten Mitglieder sind:

  • Christoph Bauer, Leiter des Kunstmuseums Singen,
  • Kirsten Helfrich, MA, Leiterin der Kunstvermittlung Kunstmuseum Bregenz,
  • Stefanie Hoch, Kuratorin Kunstmuseum Thurgau, Kartause Ittingen
  • Dr. Ute Hübner, Leiterin Hermann- Hesse- Höri- Museum.
  • Marie Lacher-Rapp, Kunsthistorikerin, Vorstand des Kunstvereins,
  • Dr. Friedemann Malsch, Direktor des Kunstmuseums Liechtenstein,
  • Corinne Schatz, Kunsthistorikerin in St. Gallen,
  • Dr. Barbara Stark, Städtische Wessenberg- Galerie

Die auslobenden Institutionen sind in der Jury vertreten durch Herrn Oberbürgermeister Uli Burchardt (Stellvertreter: Bürgermeister Dr. Andreas Osner) , Stadt Konstanz und Michael Günther, 1.Vorsitzender Kunstverein Konstanz e.V.. Die Auslober sind nicht stimmberechtigt.

Dauer der Ausstellung

02. Oktober bis 10. Dezember 2016

Videoabend im Innenhof Café Wessenberg

Fr, 14. Oktober 2016, 19 Uhr
 

Öffentliche Führungen

Sa, 08. Oktober, 15.30 Uhr
So, 30. Oktober, 11.30 Uhr
Sa, 12. November, 15.30 Uhr
So, 04. Dezember, 11.30 Uhr

 

Mit freundlicher Unterstützung durch

INGUN Prüfmittelbau GmbH

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