Kammerkonzert
Neue Musik im Kunstverein
Improvisation
Im Rahmen der Ausstellung Christa Näher – Malerei und Grafik
Claudia Burris Klavier
Berenike Derbidge Violoncello
Karten: 18 Euro · ermäßigt 14 Euro
In Kooperation mit der Südwestdeutschen Philharmonie Konstanz
Als Beethoven am 2. April 1800 eine musikalische Akademie veranstaltete, stand im Programm: »6) Wird Herr Ludwig van Beethoven auf dem Piano-Forte fantasiren.« Als Paganini sich einmal über einen Menschen im Publikum ärgerte, improvisierte er auf der Geige das Geschrei eines Esels, und Liszts spontane Einfälle am Klavier ließen so manche gehobene Tochter in – zumeist keuschen – Gedanken dahinschmelzen. Anton Bruckner gar erzählte immer wieder mit größtem Behagen, wie er nach einer Improvisation über die Wacht am Rhein 1871 angeblich im Triumphzug durch den Londoner Kristallpalast getragen worden sei: »Wia i’ ferti’ g’wes’n bin, warn’s ganz narrisch, hab’n mi auf d’ Schulter g’schupft und lang im Saal umanand trag’n. A Lady hat ma glei’ an Heiratsantrag g’macht.«
Heutzutage hingegen ist die noch in Renaissance und Barock selbstverständliche Improvisation aus dem »Klassik«-Betrieb so gut wie ganz verschwunden. Es gibt zwar noch Relikte der alten improvisatorischen Praxis wie die Solokadenz im Instrumentalkonzert. Aber auch hier wird seit über einem Jahrhundert lieber auf auskomponierte Musik anderer zurückgegriffen und eigene musikalische Phantasie nur simuliert – meist zum Wohl des Publikums.
Trotzdem lässt sich kaum eine persönlichere Musik als die improvisierte denken, denn keine andere Musik kommt dem menschlichen Gespräch, das ja immer wieder ganz unverhoffte Wendungen zu nehmen pflegt, ähnlich nahe. Anders als im Jazz haben musikalische Freiräume in einem Konzertbetrieb, der auf jederzeit reproduzierbare Perfektion angelegt ist, keinen Platz. Für die Mehrheit der klassischen Musiker ist das Improvisieren heutzutage kein Thema mehr.
Aus dieser antrainierten Unmündigkeit wollten Sjirgina Claudia Burris (Klavier) und Berenike Derbidge (Cello) vor vielen Jahren ausbrechen. Für ihren Blick über den Tellerrand hinaus haben die Frankfurter Pianistin und die Konstanzer Cellistin 2010 ihr eigenes Improvisations-Duo Prisma gegründet. Sjirgina Claudia Burris erinnert sich: »Wir lernten uns auf einem Seminar kennen, das der freien Improvisation gewidmet war. Genau wie ich litt Berenike dort unter den einschränkenden Vorgaben, nach denen improvisiert werden sollte. Ich sah ihr an, dass sie voller Musik war und einfach nur spielen wollte. In der Pause ging ich zu ihr und forderte sie auf: ›Lass uns doch einfach mal Musik machen‹. Und so probierten wir es aus. Alle Teilnehmer umringten uns und es war klar: Dies war das spannendste und gelungenste Musikstück des Seminartages. Von da an trafen wir uns regelmäßig und stellten immer wieder mit Verwunderung fest, wie sehr unsere Klänge und Instrumente zu einer Einheit verschmolzen.«
Berenike Derbidge sieht die Improvisation als willkommene Bereicherung neben ihrer Arbeit bei der Südwestdeutschen Philharmonie und ist immer wieder überrascht, wie gut das Zusammenspiel mit ihrer Partnerin funktioniert: »Wir gehören zu den wenigen, die ganz ohne Absprache wirklich frei improvisieren, je nach Stimmung mal melodiös, mal in freierer Tonsprache, aber immer in innerem Kontakt mit dem Publikum an jenem Tag. Wir sprechen vorher keine Abläufe oder Themen ab, sondern verstehen uns wirklich blind.« Es ist das geistige Verschmelzen, die gemeinsame Inspiration, die die beiden beseelt und sie eine Musik finden lässt, die nicht vorhersagbar ist …
Die Werke der Künstlerin Christa Näher haben sie sofort angesprochen. Ein wichtiger Anknüpfungspunkt ist neben dem Kontrast von Licht und Schatten sicher das Intuitive in Nähers Werken, in deren Werk Gegenwart und Erinnerung, Realität und Mythos auf einzigartige Weise miteinander verwoben sind.
Ähnlich wie für die Musik des Duos Prisma gilt auch für die Kunst von Christa Näher: »Letztlich ist alles eins. Themen, die ich abgeschlossen glaubte, kehren ohne bewusstes Zutun wieder. Wo auch immer mich das hinführt, bestimme nicht ich, ich arbeite damit nur.«
Harald Borges ("Takt", Südwestdeutsche Philharmonie Konstanz)